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Osterglaube und das Leben mit offenen Fragen
 
Der Apostel Thomas ist in unserer Tradition der Zweifler geworden, der nicht an die Auferstehung Jesu glauben will. Thomas braucht Beweise. Thomas vertraut nicht den Worten der anderen Jünger. Aber – das ist ungerecht!

Zuallererst ist Thomas ein Zeuge! Denn er bezeugt uns, dass es schon damals zur Zeit Jesu nicht selbstverständlich war, an die Auferweckung zu glauben. Obwohl doch der Glaube an Wunder und die Geschichten von Elias Himmelfahrt oder von der Himmelfahrt des griechischen Halbgotts Herakles damals zum Alltag gehörten.

Doch die Auferweckung Jesu, den man kannte und mit dem man viele Erlebnisse geteilt hat, war unbegreiflich. Nicht nur Thomas zögerte, auch bei den anderen Jüngern gab es erstmal ratlose Gesichter. Bis sie einer nach dem anderen Jesus als Lebendigen erfahren haben. Und Thomas hatte das eben noch nicht. Die Botschaft allein: Jesus ist auferstanden, war für alle Jünger unglaublich. Erst die Erfahrung: Jesus lebt, überzeugte sie.

So ist auch der Einwand von Thomas zu verstehen: Wenn ich nicht in seinen Händen die Nägelmale sehe und meinen Finger in die Nägelmale lege und meine Hand in seine Seite lege, kann ich’s nicht glauben. Thomas sagt nicht zu den anderen Jüngern: Ich glaube euch nicht! Und er sagt auch nicht: an Auferstehung kann ich nicht glauben. Sondern er sagt: Wenn ich mich nicht überzeugen kann, dass es wirklich Jesus ist, kann ich’s nicht glauben. Thomas zweifelt nichts an, sondern er sagt bescheiden und ganz ehrlich: ich kanns nicht glauben.

Dabei war er ein Jünger, der treu und mit großer Entschiedenheit zu Jesus hielt. Er war bestimmt kein „Wackelkandidat“. Es wird in den Evangelien berichtet, dass Jesus mit seiner Botschaft Anstoß erregte. Sogar von einem Anschlagsversuch auf ihn wird berichtet. Das Johannesevangelium beschreibt die Situation so gefährlich, dass Jesus für eine Zeit außer Landes gehen muss und sich versteckt hielt. Dann wird der Freund Lazarus krank. Jesus soll helfen. Die Ereignisse überschlagen sich. Lazarus stirbt inzwischen. Jetzt will Jesus zu ihm gehen. Damit setzt er sich der größten Gefahr aus. Denn dort werden auch die sein, die es auf ihn abgesehen haben. Die Jünger raten Jesus ab, zu Lazarus zu gehen. Aber Thomas steht zu Jesus und fordert die Jünger auf: Lasst uns mit ihm gehen und mit ihm sterben!

Thomas stand fest an der Seite Jesu. Er glaubte an Jesus und war entschieden zur Nachfolge bereit. Wie ist es dann zu dem merkwürdigen Auferstehungsbeweis gekommen, den viele Künstler so dargestellt haben, dass Thomas tatsächlich Jesu Wunden von der Kreuzigung betastet? Gar nicht! Das ist die Fantasie der Künstler. In der Bibel steht nur, dass Jesus ihn auffordert. Wenn er das braucht als Beweis, soll er seine Finger in die Wunde legen. Aber Thomas spürt es auch so: Jesus lebt. Es ist der Jesus, dem er bis hier her nachgefolgt war. Thomas braucht keine weiteren Beweise. Diese Begegnung ist Beweis genug. Und er spricht: Mein Herr und mein Gott!

Die christlichen Legenden haben diesem Thomas noch eine Geschichte zugeschrieben. Später, als auch Maria, die Mutter Jesu, gen Himmel aufgefahren sein soll, hat Thomas wieder nicht daran glauben können. Maria erscheint ihm und zum Beweis überreicht sie ihm einen Gürtel.

Und wieder ein Wunder und wieder hat die mittelalterliche Kunst diese Übergabe des Gürtels bunt ausgemalt. Vielleicht ein Wunder zu viel? War das vielleicht der Grund, dass Thomas seine eigenen Wege gegangen ist, möglichst weit weg von einer Kirche, die immer mehr zum Wunderglauben neigte? Deshalb vielleicht der Weg bis Indien, wo sich die Thomaschristen bis heute auf ihn berufen?

Thomas ist ein Zeuge der Ostergeschichte, ein Zeuge, der Begegnung sucht, der nicht alles glaubt, der sich vom Wunderglauben distanziert, der aber auch fragt, der Jesus vertraut und ihm nachfolgt und der den Glauben an Auferstehung nicht blind von den anderen übernimmt, sondern der das Leben spüren will. Ich wünsche uns allen solche Erfahrungen des neuen Lebens, das Gott schenkt!

Ihr Pfr. Peter Gümbel
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